Koalitionäre Farbenspiele

Ach ja, ich wollte ja politischen Content schreiben. Tu ich hiermit mal - zum Thema Farbenspiele. Wir reden hier über mögliche Konstellationen nach der Bundestagswahl, Rot-Grün schließe ich mal angesichts der Meinung der Demoskopen im Vorfeld aus. Lippenbekenntnisse hingegen nicht, denn dann gäbe es tatsächlich nur zwei mögliche Varianten. Neben der zu erwartenden großen Unentschlossenheit bezüglich der Wahlentscheidung gerade im linken Lager, könnten die Überhangmandate in diesem Jahr wohl eine tragendere Rolle denn je spielen. Begründet dadurch, dass die Volksparteien im Allgemeinen längst nicht mehr so stark sind wie in der Vergangenheit, dennoch aber in vielen Wahlkreisen die Direktmandate erzielt werden. Demnach wird wohl die Fraktion mit dem meisten Zweitstimmen, gehen wir mal davon aus, dass es die Union ist, zusätzlich noch eine erhebliche Anzahl von Überhangmandaten erhalten. Das alles macht den Ausgang wohl noch schwerer prognostizierbar.

Schwarz-Gelb
Soviel scheint festzustehen: es wird verdammt eng für die Wunschkoalition der FDP. Und so ist es durchaus möglich, dass die ersten Hochrechnungen auch nicht eindeutig darüber Auskunft geben können, ob es für Schwarz-Gelb reicht. Hier kommen die Überhangmandate ins Spiel, die eine solche Koalition am ehesten sichern könnten. Und jetzt wird es interessant: Im Juli 2008 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass die derzeitige Regelung zur Verteilung der Überhangmandate verfassungwidrig ist. Diese muss nun verändert werden, allerdings erst bis zur Bundestagswahl im Jahr 2013. Demnach wäre es rechtlich zwar vertretbar, mit einer derartigen Mehrheit zu regieren, moralisch muss ich daran jedoch Zweifel anmelden.

Die große Koalition
Vier Jahre großkoalitionärer Politik liegen hinter uns - und die Bundeskanzlerin scheint nicht wirklich abgeneigt diese fortzuführen. Ich glaube, dass das auch einfach eher zu ihrem präsidialen Führungsstil passen würde als eine neoliberale Regierung, wo sie in den eigenen Reihen doch um ihr Standing fürchten müsste. Ein Shootingstar wie Karl-Theodor zu Guttenberg steht halt einfach viel eher für marktradikale Ziele als es eine Richtlinien-inkompetente Kanzlerin Merkel jemals tun könnte. Fragt sich, wie sie sich aus dem Schlamassel parteiintern befreit, sollte es für Schwarz-Gelb reichen. Vielleicht macht sie ja dann von den verfassungswidrigen Überhangmandaten eben keinen Gebrauch. Die SPD hingegen dürfte eher weniger Interesse an einer großen Koalition haben, allein die Machtperspektive lässt sie unter Umständen nicht drum herumkommen. Und so waren Peer Steinbrücks Worte wohl gar nicht so verkehrt.

Die Ampel
Die FDP hat auf ihrem Sonderparteitag beschlossen, dass sie ausschließlich eine Koalition mit der Union eingehen wird. Nun stellt sich die Frage, ob Westerwelle und Co. nach 11 Jahren Opposition doch umfallen, falls es nicht für Schwarz-Gelb reichen sollte. Voraussetzung dafür wäre zweifelsohne eine starke FDP, die dadurch gegeben sein könnte, dass die Koalitionswähler tendiziell eher zu Gelb als zu Schwarz tendieren, da hier ausschließlich die Aussicht auf ein bürgerliches Bündnis gegeben wird. Dann eine Ampel einzugehen würde genau diese Wahlentscheidung zwar konterkarieren, allerdings eine Regierungsperspektive für die FDP bieten. Ich persönlich fände eine sozial-liberal-ökologische Zusammenarbeit interessant, Schnittmengen gibt es allemal.

Die Jamaika-Koalition
Ehrlich gesagt halte ich diesen Fall der Koalitionsbildung für höchst unwahrscheinlich. Muss ich dazu mehr schreiben? Naja, was sollen die Grünen in einer solchen Koalition? CDU, CSU und FDP sind sich deutlich näher, der Umweltfokus der Grünen hat längst in allen großen Parteien Einzug gehalten. Und sind wir mal ehrlich, nicht mal in diesem Ressort hätten sie in einer derartigen Konstallation wohl die Chance die notwendigen Reformen durchzuführen. Oder soll es dann beispielsweise einen derartigen Umfaller geben, dass Schwarz-Gelb plötzlich doch den Atomausstieg befürwortet? Eher zweifelhaft.

Das Linksbündnis
Hierfür müsste es schon ganze drei Umfaller geben, SPD und Grüne haben sich klar dagegen ausgesprochen, inzwischen tun das auch die Herren Lafontaine und Gysi. Zweifelsohne, es gibt inhaltliche Schnittmengen, aber auch inhaltlich unüberbrückbare Themen, etwa die Anti-Europa-Politik der Linkspartei. Hinzu kommt ein äußerst unseriös geführter Wahlkampf der Linken. Und es gibt Lafontaine. Ich habe keinen Zweifel daran, dass Die Linke ein solches Bündnis eingehen würde, man schaue nur nach Thüringen, wo Bodo Ramelow auf Druck der SPD und gegen den (offiziellen) Willen der Parteiführung nun in einer Rot-Rot-Grünen Regierung auf den Posten des Ministerpräsidentens verzichten möchte. Aber ich halte eine solche Koalitionsbildung auf Bundesebene bis zum Tag der Andrea Nahles für ausgeschlossen - das gab es unter Schröder nicht und das wird es unter Steinmeier und Müntefering schon gar nicht geben.

Tja, und wen jetzt wählen?
Dieser Abschnitt richtet sich an die oben angesprochenen Koalitionswähler, also diejenigen, die ihre Stimme gern taktisch verteilen. Fangen wir bei der Union an, die eigentlich wahltaktisch keinerlei Relevanz hat. Sie wird die stärkste Fraktion werden, steht aber für keine klare Koalition. Anders sieht es da bei der FDP aus, bei der man die Stimme im Zweifel für Schwarz-Gelb abgibt und im Fall des Nicht-Gelingens ein Ampel-Bündnis unter Umständen ermöglicht. Eine Stimme für die SPD ist sowohl eine Stimme für die Ampel als auch eine Stimme für die große Koalition, die wohl nur dann erfolgsversprechend sein kann, wenn beide Parteien auf Augenhöhe agieren. Desweiteren ist eine Stimme für die SPD eine Stimme gegen Schwarz-Gelb, was auch bei Stimmen für die Grünen und Die Linke zutreffend ist. Das Kreuz bei den Grünen hat am ehesten noch Relevanz bei einem Jamaika-Bündnis, was höchstens bei einer sehr starken grünen Fraktion denkbar wäre. Und Die Linke? Ja, ich will ja nicht allzu provokativ sein, aber die verhindert in erster Linie eine einfache Zwei-Parteien-Koalition, man könnte also von Protestwählern sprechen, die es nötig gemacht haben, dass ich diesen Beitrag geschrieben habe.

Naja, sei's drum - geht wählen und setzt Euer Kreuz bitte bei einer Partei, die auch im Bundestag vertreten sein wird. Ungültig machen bringt nichts, auch wenn man damit den vielbeschworenen Protest gegen das System zum Ausdruck bringen möchte. Aber im Zweifel landet ihr in einer Kategorie mit denjenigen, die schlichtweg nicht in der Lage waren, ihren Wahlzettel korrekt auszufüllen. Parteien, die eh keine Chance haben ins Parlament zu kommen, bringen auch nichts. Es sei denn, ihr legt Wert darauf, dass Eure Randgruppenpartei die (maximal) 70 Cent bekommt, die Eure Stimme wert ist. Aber dann spendet halt lieber ein paar Euro.

Jede, aber auch wirklich jede Stimme kann die Entscheidende sein, die Eurer Partei einen Platz mehr im Parlament zusichert. Also, stärkt die Demokratie, seid Teil von ihr, geht wählen! Am 27. September Rot, Grün, Gelb oder Schwarz.

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