Gedanken zur Europawahl in Deutschland '09

Immer wenn ich hier von Gedanken spreche, dann kündige ich ja vorher an, dass diese wahllos seien. Aber nö, heute mal nicht, ich geb' mir beste Mühe sie zu ordnen.


Blicken wir mal auf das Ergebnis vom Sonntag und vergleichen das mit dem von vor fünf Jahren. Als erstes wäre da die Wahlbeteiligung, die nahezu konstant (2004: 43,0% | 2009 43,3%) ist. Absolut ausgedrückt konnten gut 400.000 Menschen mehr mobilisiert werden - bei 520.000 zusätzlichen Wahlberechtigten. Halten wir also fest, dass die Mobilisierung fehlschlug, obwohl am Sonntag auch in sieben Bundesländern Kommunalwahlen anstanden, was gut zwanzig Millionen Wahlberechtigte ergibt, die nicht nur für das offenbar weit entfernte Europaparlament an die Urnen durften.

Verlierer der Wahl ist selbstverständlich die Union, die im Vergleich zur Europawahl 2004 6,7 Prozentpunkte weniger erzielte und somit die Abwanderung der eigenen Wähler zu den freien Demokraten (plus 4,9 Prozentpunkte) nicht stoppen konnte. An dieser Stelle fragen sich jetzt natürlich viele, wie naiv ich wohl sei. Die SPD erzielt keine 21% und ich erzähle, dass die Union der große Verlierer. Richtig, dabei bleibe ich auch.

Aber zunächst zurück zu den Kommunalwahlen, die wie gesagt in eben sieben von sechzehn Ländern stattfanden. Und schaut man sich die einmal genauer an, wird man schnell feststellen, dass davon nur zwei Länder einen Ministerpräsidenten der SPD haben, nämlich Mecklenburg-Vorpommern und Rheinland-Pfalz. Dem gegenüber stehen mit Baden-Württemberg, dem Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen gleich fünf CDU-Länder. Vorteil Union, oder?

Ein nicht zu unterschätzender Punkt sind zudem die sozialen Mileus, aus denen sich die Wähler der Parteien rekurtieren. Der klassische SPD-Wähler stammt aus dem modernen Arbeitnehmermilieu, das sich aus zumeist eigenverantwortlichen Arbeitern und Angestellten zusammensetzt. Um es platt zu sagen: denen ist Europa häufig völlig egal. Dagegen rekrutiert die Union ihre Wähler aus dem konservativen Arbeitnehmermilieu, also häufig aus EU-Kritikern. Und genau dem entsprochen hat ja in jedem Fall der Wahlkampf der CSU, die sich klar gegen den Beitritt der Türkei aussprachen. Nebenbei bemerkt: wenn man mich fragt fast schon auf rassistische Weise.

Das Ergebnis der Europawahl täuscht, will man daraus klare Rückschlüsse auf die anstehenden Bundestagswahlen ziehen. Laut aktuellem Politbarometer liegen zwischen der Union und der SPD etwa acht Prozent - zum selben Zeitpunkt vor vier Jahren waren das noch fünfzehn. Und wer sich zurückerinnert weiß, dass am Ende nur wenige tausend Stimmen für die Union den Ausschlag gaben. Schwarz-Gelb käme derzeit auf 48% der Stimmen, die Ampel auf 50%.

Damit wir uns an dieser Stelle nicht falsch verstehen, ich halte nach momentanem Stand einen Wahlsieg Steinmeiers für unwahrscheinlich, was aber nicht heißt, dass Angela Merkel über dieses Jahr hinaus weiter Kanzlerin sein wird. Ihr großer Vorteil ist momentan noch ihre Profillosigkeit, inwieweit ihr diese unter Umständen etwa bei einem negativen Ausgang der Arcandor-Insolvenz in den kommenden Wochen und Monaten zum Verhängnis wird, wird sich zeigen.

Die Deutschen scheinen ja bisher doch sehr begeistert von der Kanzlerin, deren Politik gelinde gesagt ohne Höhepunkte auskommt. Daneben muss man abwarten in welche Richtung der Guttenberg-Faktor ausschlägt und ob Zensursula ihren Kampf gegen die Kinderpornografie nicht zu weit treibt. Und die Schäubles, Kochs und Merz dieser Partei sind ja eh immer für eine Überraschung gut. Vielleicht scheitert ja auch einfach die CSU an der Fünf-Prozent-Hürde, dann hätten sich eh alle schwarz-gelben Fantasien ausgeträumt.

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