Tolerante Jugend - ein Vorurteil
Nein, mich überraschen diese Zahlen nicht wirklich, findet man latente Tendenzen gegen Ausländer doch tagtäglich, auch bei Menschen von denen man das eigentlich nicht erwartet. Vielleicht finden wir sie sogar bei uns allen, wenigstens irgendwo tief im Unterbewusstsein. Anders macht häufig befremdlich. Alarmierend sind sie trotzdem allemal.
Das Bundesministerium des Innern hat eine Studie in Auftrag gegeben, bei der Neuntklässler zu den Themen Gewalt und Ausländerfeindlichkeit befragt wurden. Scheinbar erfreulich: weniger als ein Viertel der Jugendlichen ist im vergangenen Jahr von Gewalt betroffen gewesen. Dass das immer noch viel zu viel ist, darüber brauch' ich nicht zu reden. Aber darum soll's hier auch gar nicht gehen.
Viel erschreckender ist, dass jeder siebte Jugendliche als sehr ausländerfeindlich eingestuft wird. Fast zwei Fünftel der Befragten stimmen der Aussage eher zu, die meisten Ausländer seien kriminell, als sie abzulehnen. Über 45 Prozent sehen in ausländischen Mitbürgern keine Bereicherung für die Kultur, fast drei Fünftel fordern eine Anpassung derer an den Lebensstil Deutscher. Bei Arbeitsplatzknappheit wird von gut zwei Fünfteln der Befragten eine Abschiebung von Ausländern billigend zur Problemlösung in Kauf genommen.
Ist das wirklich das Denken unserer toleranten Jugend? Scheinbar schon - nun will ich nicht bei all diesen Tendenzen rechtsextremes Gedankengut unterstellen - Stichwort Lebensstilanpassung, das muss nicht so hart gemeint sein, wie es auf den ersten Blick klingt. Kann bei einer Vielzahl auch in Richtung verbesserte Eingliederung in die Gesellschaft gehen. Die Fragen bezüglich der Bereicherung der Kultur und die pauschale Kriminalisierung lassen mich schon aufhorchen, die nach der Arbeitslosigkeit stellt endgültig das Unwissen der jugendlichen Bevölkerung bloß. Schließlich war die Bundesrepublik in den Sechziger Jahren von Minusarbeitslosigkeit betroffen, also mehr Arbeitsplätze als Arbeitskräfte. Jetzt, wo wir die Gastarbeiter nicht mehr brauchen, da schicken wir sie einfach wieder weg, oder was? Überhaupt geht's hier doch um Sätze wie den, dass Ausländer "uns" die Arbeit wegnehmen würden. Dem will ich gar nicht vollends widersprechen, aber diejenigen, die in einer globalisierten Welt Arbeitsplätze einnehmen, die auch von Einheimischen besetzt werden könnten, die leben in Indien oder Taiwan, in China oder Brasilien. Soll man denen das arbeiten verbieten? Oder ist irgendein ein Deutscher bereit für einen derartigen Hungerlohn zu arbeiten? Ich hör' schon wieder das Geschrei wegen der Ein-Euro-Jobs.
Aber es wird noch besser. Mehr als jeder Fünfte ist der Meinung, Ausländer sollten, was Eheschließungen betrifft, unter sich bleiben. Politische Betätigung sieht ebenso jeder Fünfte als untersagenswürdig an. Und jeder Siebte findet es übrigens nicht so schlimm, was Deutsche für Verbrechen an Juden begangen haben und ist der Ansicht, dass die Juden doch mal die Schuld bei sich selbst suchen sollten.
Kann das wahr sein? Denken unsere Fünfzehnjährigen wirklich so? Klar, es gibt bei diesen Tendenzen ein Gefälle im Bildungsniveau, ebenso ein Gefälle zwischen Stadt und Land, konnte man alles erwarten. Aber dass die relativen Zahlen trotzdem so krass ausfallen, erstaunt selbst Herrn Schäuble.
Ich sehe diese Zahlen als zutiefst gefährlich an, mit 15 Jahren ist die politische Beteiligung meist noch nicht sehr ausgeprägt, was mich zu der Annahme bringt, dass ein paar Jahre ältere Jugendliche noch schockierendere Ergebnisse geliefert hätten. Auffällig ist auch, dass in den Regionen, wo weniger Ausländer leben, der Hass größer ist. Meiner Ansicht nach begründet durch mediale Manipulation und häufig auch durch Dorftratsch, soll heißen, wohnt eine Familie mit Migrationshintergrund in einem kleineren Ort, wird sie nicht selten zum Gesprächsthema der anderen Dorfbewohner. Und ist an allem Schuld. Vielleicht überspitzt ausgedrückt, ist aber meiner Ansicht nach so.
Ich weiß gar nicht, was ich davon halten soll und wie man diesen Tendenzen entgegenwirken könnte, klar ist da eine verbesserte Integrationspolitik gefragt, aber das allein wird nicht des Rätsels Lösung sein. Wenigstens sind die Zahlen jetzt mal auf dem Tisch.
Dienstag, März 17, 2009
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Tags:
1-Euro-Jobs,
Ausländer,
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Schäuble
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