Politik ist überall - nur nicht in der Uni

Ich hab's gerade im Radio gehört: immer weniger Studenten interessieren sich für Politik, es sind nur noch gut ein Drittel der Studierenden. Mitte der '80er waren es noch 54%.

Alarmierend - und enttäuschend zugleich.

Wieso ich das schlimm finde? Nun, wenn wir eine Unterscheidung in gut und schlecht gebildeten Menschen vornehmen würden, sollte man doch erwarten, dass die "Intellektuellen" auserwählt sind, unser Land zu regieren. Geht aber zunehmend schlechter, wenn das Interesse fehlt. Und der Anteil derer, die nur polische Rhetoriker sind, steigt.

Man kann mir jetzt vorwerfen, dass ich eine Einteilung zwischen Klugen und Dummen zulasse, die einige auf die Idee bringt, ich würde dies gleichsetzen mit Gut- und Schlechtmenschen. Das liegt nicht in meiner Absicht, jeder Mensch ist meinem Verständnis nach gleich wichtig, lediglich Sym- und Antipathien machen den einen für uns zum Guten und den anderen zum Bösen. Salopp ausgedrückt.

In dieser Unterscheidung liegt allerdings meiner Ansicht nach das fundamentale Problem unserer Gesellschaft, ein Problem, das sich nicht lösen lässt: scheinbare soziale Ungerechtigkeit. Diese betrifft vor allem den ungebildeteren Teil der Gesellschaft, für die zumindest in der Regel mit geringer Bildung auch ein geringeres Einkommen oder die Abhängigkeit von Sozialleistungen einhergeht. Unzufriedenheit macht unglücklich - und so sind es vor allem die schlecht Situierten, die anfangen über Ungerechtigkeit zu schimpfen.

Ein naturgegebenes Phänomen, erst wenn es das Individuum persönlich betrifft, wird es aktiv. Und überspitzt ausgedrückt: die, die daran etwas ändern könnten, interessiert es nicht, weil das Problem nicht auf sie zutrifft.

Das Problem an der Sache ist, dass die Gruppe der scheinbar Benachteiligten sehr groß ist - und dass Medien wie die BILD-Zeitung sehr viele Leser haben. Hier wird gerne Stimmung gemacht: menschenverachtende 1-Euro-Jobs und hungernde Hartz IV-Empfänger unter Brücken. Menschen, die diesen Gruppen angehören, sind verständlicherweise sehr anfällig dafür, diese Meinung zu übernehmen.

Und wer ist schuld? Natürlich die geldgierige Regierung!

1-Euro-Jobs
In der Wirtschaft würde man sagen, hier fand schlechtes Marketing statt. Man muss das Ganze meiner Ansicht nach so sehen: Wenn ich noch nichts oder sehr wenig in die Sozialversicherung eingezahlt habe, kann ich vom Staat auch nicht erwarten, dass er mein Leben finanziert. Tut er aber - und das ist auch gut so. Also bietet der Staat Jobs an, die mit einem Euro pro Stunde plus Hartz IV bezahlt werden. Was auf die Stunde heruntergerechnet kein so schlechter Verdienst ist für vielfach nicht ausgebildete und berufsunerfahrene Menschen.

Hartz IV
Der erste Irrglaube ist, dass jeder Arbeitslose davon leben müsste. Dem ist nicht so, das Arbeitslosengeld I kann orientiert an den vorherigen Bezügen je nach Dauer des vorherigen Beschäftigungsverhältnisses bis zu 24 Monaten bezogen werden. Eine lange Zeit, wenn man überlegt, dass die durchschnittliche Verweildauer eines Menschen in der Arbeitslosigkeit bei etwa sechs Monaten liegt. Bedeutet also, Menschen, die von Hartz IV betroffen sind, sind entweder verdammt schlecht vermittelbar oder arbeitsunwillig. Dass dann kein Leben im Luxus mehr möglich ist, scheint wohl klar - und hier sichert der Staat zumindest alle Grundbedürfnisse, wie die Unterbringung, Nahrung, Mobiliar, Kleidung, Gesundheit, Fernsehen. Das muss doch wohl reichen, oder?

Was haben Medien für ein Interesse, diesbezüglich eine solche Stimmung aufzubauen? Natürlich geht's um die Auflage, um die Quote. Und um Werbeerlöse - was bei der politischen Meinung manipulativ gelingt, das klappt schließlich häufig auch bei Produkten, die die Welt nicht braucht.

Für mich ein Paradoxon - will man den Menschen vor Augen führen, was sie sich nicht leisten können? Will man sie dazu bringen, Geld für unnütze Luxusgüter auszugeben, statt die eigene Lebensqualität zu steigern? Jeder zweite Deutsche ist verschuldet. Da erscheint vielen der Lohn von Spitzenpolitikern unglaublich hoch. Neid.

Ich sehe das anders, Politiker sind unterbezahlt - Spitzenmanager großer Unternehmen, die einige Tausende Mitarbeiter haben, verdienen ein Vielfaches. Minister, die im Grunde Manager von 82 Millionen Bundesbürgern sind, werden für ihren Verdienst gerügt. Das macht Politik unattraktiv - ein steiniger, harter und vor allem langer Weg durch die komplexen Parteistrukturen nach oben, um dann unter Umständen ein paar Jahre lang mittelmäßig zu verdienen, verglichen mit der zu tragenden Verantwortung. Erfolg nicht garantiert. Ein Junior Manager benötigt im Vergleich dazu wohl nur ein halbwegs gutes BWL-Studium und ein bisschen Berufserfahrung.

Zurück zur Studie: 29% der Studenten plädieren für die Begrenzung der Zuwanderung von Ausländern, 17% fordern die Abwehr kultureller Überfremdung.

Wenn das nicht weltoffen ist...

1 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

So, jetzt hab ich das mit dem kommentieren raus. Hab nur auf der Startseite rumgesucht und nicht gemerkt, dass man die Beiträge auch nochmal einzeln anwählen kann.
Zu diesem Eintrag: Nette Ansprache zur Lage der Nation bezüglich der angesprochenen Themen. Gut formuliert und ohne Scheu zu polarisieren, was du zweifelsfrei mit deinen Aussagen tust. ;)
Habe außerdem an gemerkt, dass das Führen eines Blogs schon an meinen Schreibfertigkeiten scheitern würde^^.

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