Bundestagswahl '09 - die Parteien: Piratenpartei Deutschland

Den Anfang meiner Parteienvorstellung zur Bundestagswahl macht die Piratenpartei Deutschland, kurz PIRATEN. Gerade in der Netzwelt und bei der Jungwählergeneration findet die Partei ihre Zielgruppe.

Zur Geschichte
In Deutschland existiert die Piratenpartei seit 2006. In diesem Jahr trat sie bei den Landtagswahlen in Hessen (0,5 %) und den Europawahlen (0,9 %) an. Durch den Beitritt des ehemaligen SPD-Mitglieds Jörg Tauss stellt die Piratenpartei derzeit einen Abgeordneten im Bundestag. Erfolgreicher war die Piratenpartei bislang in Schweden: die ebenfalls 2006 gegründete Piratenpartiet konnte bei den Europawahlen 7,1 % der Stimmen auf sich versammeln und so einen Sitz im Europäischen Parlament erlangen.

Das Parteiprogramm

  1. Urheberrecht
    Infolge des technischen Wandels kann Wissen schneller und einfacher zugänglich gemacht werden. Die Piratenpartei fordert, der künstlichen Verknappung des Wissens durch den Kopierschutz entgegenzuwirken, da dieser auf finanziellen Interessen basiere und daher "unmoralisch" sei. Ebenso könnte dieser dazu führen, dass der Nachwelt das heutige Wissen durch etwaige Inkompatibilitäten der Abspielgeräte vorenthalten bleibt. Daraus resultierend soll die nicht kommerzielle Vervielfältigung von Werken nicht nur legalisiert, sondern explizit gefördert werden. Dies soll neben künstlerischen Werken ausdrücklich auch für Software gelten.

  2. Privatsphäre
    Infolge der Technisierung der Gesellschaft ist auch eine zunehmende Überwachung des Einzelnen möglich geworden. Dieser Weg führe in die Diktatur, wie sie Deutschland bereits zweimal im 20. Jahrhundert erlebt habe, und stelle darüberhinaus Möglichkeiten bereit, von denen die Diktaturen "nicht einmal zu träumen gewagt" hätten. Die Piratenpartei appeliert daher an die Wahrung des Grundgesetzes, insbesondere an das Recht auf Privatsphäre. Das Briefgeheimnis sei auszuweiten zu einem Kommunikationsgeheimnis, bei dem der Unschuldsvermutung Sorge zu tragen ist. Die Vorratsdatenspeicherung stelle "eine weitaus ernsthaftere Bedrohung unserer Gesellschaft dar als der internationale Terrorismus". Einen hohen Stellenwert genießt zudem die informelle Selbstbestimmung, der Aufbau von Datenbanken mit biometrischen Daten und Gentests habe aufgrund der Missbrauchsgefahr zu unterbleiben.

  3. Patentwesen
    Patente, die ein Monopol fördern, "stellen grundsätzlich eine künstliche Einschränkung der allgemeinen Wohlfahrt dar" und bedürfen daher ständiger Rechtfertigung und Überprüfung. Patente haben in der postindustriellen Zeit eine Zweckentfremdung erfahren, bei der keinerlei Ausgleich für die Gesellschaft mehr zu erkennen sei. Besonders in der Pharmaindustrie seien Patente und ihre Auswirkungen ethnisch höchst verwerflich. Darüberhinaus lehnt die Piratenpartei "Patente auf Lebewesen und Gene, auf Geschäftsideen und auch auf Software einhellig ab".

  4. Transparenz des Staatswesens und Open Access
    Zur Sicherung der Transparenz aller staatlichen Prozesse sei jedem Bürger "unabhängig von der Betroffenheit und ohne den Zwang zur Begründung" auf allen Ebenen ein Recht auf Akteneinsicht zu gewähren, soweit keine Persönlichkeitsrechte, die nationale Sicherheit oder die Verhinderung von Straftaten dadurch eingeschränkt werden. Publikationen, die mit staatlichen Mitteln finanziert werden, müssen der Öffentlichkeit frei zur Verfügung gestellt werden.

  5. Infrastrukturmonopole
    Künstlich geschaffene Monopole auf Kommunikationswege verhindern den technischen Fortschritt und sind daher zu verhindern. Darüberhinaus ist jedem Bürger eine breitbandige Kommunikation zu ermöglichen, elektromagnetische Frequenzbereiche dürfen nur in Ausnahmefällen reserviert werden und sind orientiert an der technischen Entwicklung frei zu vergeben. Kommunikationen dürfen nicht gefiltert oder zensiert werden, da dies die Grundlage einer funktionierenden Demokratie zerstöre.
Das Wahlprogramm
Basierend auf dem Parteiprogramm hat die Piratenpartei auch ihr Wahlprogramm formuliert. Ein besonderer Fokus wird dabei auf den Datenschutz und die Wahrung der Privatsphäre gelegt. Desweiteren soll mehr direkte Demokratie Einzug halten, etwa durch Volksabstimmungen auf Bundesebene und die Einführung eines obligatorischen Referendums bei wichtigen Beschlüssen auf EU-Ebene. Im letzten Punkt wird ergänzend zum Parteiprogramm um eine Demokratisierung und Individualisierung von Bildung geworben.

Die Personen
Mitglieder und Vorstand stammen - wenig überraschend - hauptsächlich aus dem Bereich der Informationstechnologie. Der prominenteste Piraten-Politiker ist wohl das bereits angesprochene ehemalige SPD-Mitglied Jörg Tauss, dessen Immunität der Bundestags im März wegen Ermittlungen zum Besitz kinderpornographischer Schriften aufhob. Tauss gab den Besitz daraufhin zu, führte ihn jedoch darauf zurück, dass er ermittlerisch tätig gewesen sei. Die Staatsanwaltschaft wird in Kürze Anklage gegen Tauss erheben. Inzwischen hat Tauss seine Ämter in der SPD niedergelegt und ist ausgetreten. Er wird nicht für den 17. Deutschen Bundestag kandidieren.

Meine Beurteilung
Dass Jörg Tauss ausgerechnet in der Piratenpartei jetzt mitwirkt, ist natürlich ein Paradoxon. Eine Partei, die die Gewaltenteilung in ihrer vollen Pracht propagiert, wird jetzt zum Zufluchtsort für einen Politiker, der sich laut eigener Aussage als Ermittler versteht bzw. verstand.

Das Wahlprogramm ist völlig unausgewogen, der Fokus richtet sich im Kern gegen das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung, viel mehr politische Inhalte hat die Partei offensichtlich auch nicht zu bieten. Der Zusatz zur Bildungspolitik ist doch sehr allgemein und ohne konkrete Maßnahmen gehalten. Immer wieder wird Software zu Kunst, der Programmierer wird in einer Reihe mit dem Schriftsteller, Künstler und Journalisten als "Kulturarbeiter" bezeichnet. Das Selbstverständnis der Partei ist daher doch sehr eigen, auch wird nicht über eine Umsetzbarkeit der Maßnahmen in einem vereinten Europa gesprochen und wie das Ganze mit der Globalisierung zu vereinbaren sei. Grundtenor ist, dass alles Immaterielle Wissen ist, Wissen ist Allgemeingut und muss deswegen jedem frei zugänglich sein. Dass das alles in einer Dienstleistungsgesellschaft, deren Basis nun mal der Handel mit Wissen statt mit Gütern ist, nicht funktionieren kann, darüber werden nicht allzu viele Worte verloren.

Alles in allem ist das in Teilen doch sehr populistisch gedacht - und vor allem viel zu einseitig. Ehrlich gesagt ist das für mich keine Partei, das ist eine Interessengemeinschaft, die sicherlich auch in einigen Punkten - gerade wenn sie an die Wahrung des Grundgesetzes appeliert - recht hat. Aber für derartige Fragen sollte man wohl eher das Bundesverfassungsgericht bemühen, als am 27. September den Piraten seine Stimme zu schenken. Wer glaubt, dass unsere Gesellschaft heute eine große Community ist, der ist wohl schon verdammt tief verwurzelt in seinem Web 2.0.

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